Monatsspruch Juli

Liebe Gemeinde,
der Monatsspruch für Juli (den wir auch für August übernehmen werden) ist einer von den biblischen Versen, die wir im besten Fall für gut gemeint, aber unrealistisch halten – oder im schlimmsten Fall selbst als eine Last für unseren Glauben empfinden. Denn Tatsache ist, wir alle haben Sorgen, mal mehr, mal weniger. Und die können wir nicht einfach wegzaubern, auch nicht mit einem Bibelvers.
Doch nicht nur Paulus, sondern auch Petrus (1. Petrus 5,7) und sogar Jesus (Matthäus 6,25) vertreten die Ansicht, dass wir unsere Sorgen an Gott abgeben können. Steckt mehr hinter diesen Versen als nur nette Worte?
Aus meiner Erfahrung ist es so: Wenn Menschen diese Sprüche ernst nehmen, entstehen leicht zwei Missverständnisse. Einige denken, mein Glaube befreit mich von Sorgen, indem er mich lehrt, diesseitige, irdische Dinge nicht allzu ernst zu nehmen. Und ich gebe zu, manche Dinge muss man wirklich nicht so ernst nehmen, wie wir es manchmal tun. Ein Blick auf Gott und seine Ewigkeit kann dazu führen, dass wir einen nüchternen Blick auf unser eigenes Leben werfen und dadurch von manchen unnötigen Sorgen befreit werden.
Aber manche Dinge sind ernst, und sie müssen auch als solche genommen werden. So zu tun, als ob es anders wäre, ist Selbstbetrug. Wir müssen uns klarmachen: Unsere Sorgen abzugeben kann nicht bedeuten, die ernsten Dinge des Lebens für gleichgültig zu halten.
Auf der anderen Seite meinen manche, dass man nicht gläubig genug sei, wenn man Sorgen hat oder nicht stark genug im Glauben ist. Doch wenn wir so denken, werden wir nicht von unseren Sorgen befreit, sondern fügen noch zusätzliche Sorgen um unseren Glauben hinzu. Keine gute Lösung!
Kann Paulus uns helfen, beide dieser Gefahren zu vermeiden?
Zunächst einmal sollten wir beachten, dass Paulus nicht von der Wahrnehmung einer Situation spricht. Stattdessen, wenn wir mit einer schwierigen oder herausfordernden Lage konfrontiert sind, beschreibt Paulus zwei Handlungsmöglichkeiten:
Eine Option, die wir haben, ist das Sorgen. Sorgen ist eine aktive Haltung gegenüber einer belastenden Realität. Paulus will uns zunächst deutlich machen, sich sorgen ist etwas, das wir tun, nicht nur etwas, was wir haben.
Vielleicht haben Sie dieselbe Reaktion darauf wie ich: Aber ich kann nicht anders! Ich bin da nicht frei! Die Sorgen überkommen mich! Klar – aber Paulus setzt bereits voraus, dass wir überfordert sind, dass wir Sorgen haben. Er meint nur, dass wir uns nicht unbedingt sorgen müssen.
Das können wir daran erkennen, dass Paulus dem „Sorgen“ nicht einfach „Gelassenheit“ gegenüberstellt, sondern schreibt: „Bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten vor Gott“. „Gebet und Flehen“ – das klingt nicht nach ruhiger Gelassenheit, sondern nach intensiver, vielleicht sogar schonungsloser Ehrlichkeit vor Gott.
Für Paulus gehört es zum Leben, dass wir Sorgen haben. Was aber nicht notwendig ist, dass wir uns sorgen. Denn sich sorgen bedeutet, uns auf unsere eigenen Kräfte zu verlassen.
Doch wir sind eingeladen, etwas anderes zu tun – nämlich zu Gott zu gehen und ihm ganz ehrlich zu sagen, dass es uns nicht gut geht – ohne uns dafür zu schämen.
Und schon diese Haltung kann etwas verändern, denn es kreist nicht mehr nur um uns herum, sondern setzt uns in Beziehung zu dem, was uns wirklich helfen kann.
Ein letztes Wort zu „Bitte“:
Der Unterschied zwischen Zauberei und Gebet liegt genau in diesem Begriff.
Im Gebet setzen wir voraus, dass wir selbst nicht die Macht haben, die Realität zu verändern. Aber wir treten damit vor jemanden, der diese Macht hat und der uns liebt.
Manchmal macht gerade diese Wahrheit es noch schwerer, wenn keine Antwort kommt oder nicht die Antwort, die wir uns wünschen.
Doch auch das dürfen wir vor Gott bringen.
Liebe Gemeinde, ob Ihre Sorgen groß, klein oder irgendwo dazwischen sind – ich wünsche Ihnen, dass das Gebet für Sie ein Ort des Vertrauens und der Ehrlichkeit wird.
Und dass der Aufruf des Paulus, sich nicht zu sorgen, für Sie keine Last ist, sondern ein befreiendes Wort.
Ihr Vikar Carsten Card-Hyatt