Monatsspruch Juni
Liebe Gemeinde,
„Steh nicht einfach da ‘rum, mach was!“ Diese Aufforderung – so oder so ähnlich – kennen vermutlich viele von uns. Weil wir andere zum Handeln auffordern oder dazu aufgefordert werden, sei es, um pünktlich das Haus zu verlassen oder weil sich plötzlich ein Problem auftut.
Es gibt aber auch das Gegenstück dazu, den Satz: „Mach nicht einfach was, steh da!“ Im Englischen ist er als „Dont’t just do something, stand there!“ schon beinahe ein geflügeltes Wort. Von wem es ursprünglich stammt, ist umstritten. Aber eigentlich könnte es glatt Mose sein. Jedenfalls klingt seine Aufforderung, die diesmal Monatsspruch für den Juni ist, ziemlich danach: „Bleibt stehen und schaut!“ Und das in einer Situation, in dem das Volk Israel gerade kopflos auseinander rennen wollte. Denn gerade eben sind sie der Sklaverei in Ägypten entkommen. Und nun stehen sie auf ihrem Weg durch die Wüste vor einer Wasserfläche und sehen hinter sich am Horizont in einer Staubwolke die Armee des Pharaos heranpreschen, die er den Entflohenen nun doch hinterherschickt. Da kann man doch nicht einfach stehenbleiben! Da muss man doch etwas machen!
Muss man nicht, sagt Mose. Bleibt stehen und schaut. Aber nicht nur in der Gegend rum, sondern mit einer Erwartung: Schaut, wie Gott euch heute rettet. Fürchtet euch nicht! Und tatsächlich: So geschieht es dann auch. Die Entflohenen ziehen durch das Rote Meer, das ihnen Platz macht, in die Freiheit – über den Verfolgern schlagen die Wellen zusammen.
Bleibt stehen und schaut! Das ist manchmal gar nicht so einfach. Wenn Dinge nicht so laufen, wie sie unserer Meinung nach sollten, ist der erste Impuls oft: Eingreifen! Was machen! Den Arbeitsablauf auf Vordermann bringen, dafür sorgen, dass das Kind Vokabeln lernt, die schlechte Laune der Liebsten kurieren. Oder zumindest dafür sorgen, dass der Computer die Seite richtig lädt. Klick! Klickklick!
Manchmal passiert dann tatsächlich etwas. Oft passiert nichts. Manchmal passiert das Falsche. Und am Ende hat nicht nur einer schlechte Laune. Aktionismus ist eben doch nicht für alles die richtige Lösung.
Trotzdem ist die Versuchung groß, etwas zu tun. Tatkraft gilt ja gemeinhin als etwas Positives. Und komplizierend kommt hinzu, dass es ja tatsächlich eine Untätigkeit gibt, die eher das Gegenteil der von Mose empfohlenen Haltung ist. Aus Angst erstarre ich, stecke den Kopf in den Sand – und sehe oder tue gar nichts mehr. Aus Bequemlichkeit, Lethargie oder Überforderung. Und das ist ja nun gerade nicht gemeint.
Trotzdem will ich es versuchen: Das nächste Mal, wenn am Horizont die Staubwolke herangallopierender Probleme zu erkennen ist, nicht in Panik verfallen oder den bevorstehenden Untergang beklagen. Nicht irgendwas tun. Sondern einatmen, ausatmen. Die Angst kommen und gehen lassen. Stehen bleiben und schauen. Wie rettet Gott mich heute? Vermutlich nicht, in dem er den Lichtenrader Dorfteich teilt. Aber vielleicht schickt er mir eine Ente, die mich zum Schmunzeln bringt. Eine gute Idee. Eine wohltuende Begegnung. Für einige Momente Ruhe im Herz.
Und dann – erst dann – gibt es vielleicht tatsächlich etwas zu tun. Nicht mehr dastehen, sondern weiterzugehen. Durch die Wüste oder ins gelobte Land. Aber das nun hoffentlich frohgemuter und klarer. Also: Bleiben Sie mal stehen. Schauen Sie sich um. Und vielleicht entdecken Sie dann, was Gott gerade heute so macht.
Ihre Pfn. Thora Weintz