Monatsspruch Mai
Liebe Gemeinde,
das, was uns für den Monat Mai als Leitspruch auf den Weg gegeben ist, klingt in meinen Ohren unglaublich aktuell. Noch dazu, wenn man den Begriff dazu tut, der hinter beiden Sätzen steht – die Freiheit! Denn um die ging es in der Gemeinde in Korinth und um die ging es auch Paulus, nachdem er sich von seinem alten Leben als harter Verfechter pharisäischer Lehre, als Verfolger der jungen Christenheit emanzipiert hatte. In seiner Auseinandersetzung mit der Gemeinde in Korinth, die sich ob ihrer höchst inhomogenen Zusammensetzung immer wieder und immer mehr zu zerstreiten drohte, suchte und fand er eine theologische Brücke, über die alle Gemeindeglieder in Korinth gehen können sollten. Gar nicht so leicht in einer Situation, in der möglicherweise der Leitspruch „Alles ist mir erlaubt…“ zu einer Haltung wurde, die sich mehr und mehr ihrer sozialen Verantwortung zu entziehen suchte. Dass damit auch die Kraft der Gemeinde verloren ging, als Gemeinschaft attraktiv für andere zu sein, war da nur ein Aspekt, der Paulus am Herzen lag. Im Kern ging es ihm um die bleibende Offenheit für das Heilshandeln Gottes, das sich nicht exklusiv denen zuwendet, die in einer wie auch immer eindeutig beschreibbaren Art und Weise ihren Glauben leben, sondern ihren Glauben an den einen Gott in Jesus Christus ganz unterschiedlich zeigen. Ihm war die Bereitschaft wichtig, sich immer wieder neu auf Gott einzulassen, ihm den Platz im Leben zu geben, der wirklich grundlegend für alles andere sein sollte. Und das ganz im Sinne des ersten Gebots.
Wenn ich nun auf die gegenwärtigen Diskussionen schaue, vor allem um den von rechten Rändern getriebenen lauten Protest gegen die angebliche staatliche Bevormundung in unserem Land hinsichtlich der großen unabweisbaren gesellschaftlichen Aufgaben von Frieden, Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung, dann geht es letztlich um diese Fragen: Was ist erlaubt bzw. was ist geboten? Was davon dient zum Guten? Was bedeutet Freiheit vor diesem Hintergrund? Von wem geht dabei welche Macht aus? Wem gebe ich Macht über mich?
Die Diskussion all dieser Fragen braucht einen gesellschaftlichen Hintergrund, der von demokratischer Grundhaltung geprägt ist. Sie hat das Ziel, dem Individuum innerhalb eines weiten Rahmens einen möglichst großen Freiraum zu lassen, von dem aus Entscheidungen getroffen werden können. Dieser Freiraum braucht aber eben auch Grenzen, die sich zum einen aus den Bedürfnissen nach Freiräumen anderer definiert. Vor allem aber braucht dieser Freiraum eine Orientierung, die von sich selbst absehen kann, weil sie eine Orientierung hat, die von Gott her denkt. Eine Haltung also, die von sich selbst absehen kann und darauf schaut, was ich vor dem Hintergrund der Güte Gottes, mit der er alles Leben schuf, Gutes wirken kann. Und natürlich ist der Glaube an Gott in Jesus Christus dann höchst politisch.
Diese Haltung darf - nein sie muss - in unserer Gesellschaft wieder neu hörbar werden. Und jeder Christenmensch muss sich fragen, wo und wie er dafür einstehen kann. Dass es dafür zuweilen mehr Mut und Energie braucht, als wir gemeinhin bereit sind zu investieren, mag ein Grund sein, dass das so wenig im Namen Jesu geschieht. Aber vielleicht lassen Sie sich ja in diesem Jahr zu Pfingsten vom Heiligen Geist kräftig küssen – die unsicheren zurückgezogenen Jünger hat er ja auch auf die Straßen Jerusalems getrieben, um aller Welt von Gott und seiner Güte zu erzählen.
In diesem Sinne ein begeisterndes Pfingstfest!
Ihr Pfr. Roland Wieloch