Monatsspruch Februar

Du tust mir kund den Weg zum Leben

Liebe Gemeinde, 

haben Sie heute schon gelebt? Oder sind Sie noch auf dem Weg zum Leben? Und wenn, was ist jetzt, wenn Sie noch auf dem Weg sind, leben Sie noch nicht?

Diese drei Fragen kamen mir ganz schnell in den Kopf, als ich den Monatsspruch für den Februar gelesen habe.

Was ist das eigentlich – Leben? Dass Leben mehr ist als (Über-)leben, darüber herrscht wohl Einigkeit, obwohl auch das ja leider nicht für alle Menschen dieser Erde gleichermaßen gilt.

Und trotzdem hänge ich dem Gedanken noch nach. Denn wenn ich mich umschaue, dann springt mich dieser Gedanke an jeder Ecke des Alltags an. Zum Beispiel in einer Werbeanzeige eines Einrichtungshauses: „Wohnst du noch oder lebst du schon?“, heißt es da, oder in Ausschreibungen von so vielen vermeintlich sinnstiftenden Workshops, die damit werben, dass man dort leben lernen kann.

Es geht um „echtes“ Leben, also um ein Leben, das „authentisch“, „erfüllt“, „gelingend“, „wahr“, „wirklich“ ist, bzw. um ein Leben, dem noch irgendwelche wertigen Attribute beigefügt werden. Und es geht darum, dass jede und jeder dafür sorgen kann, dass er ganz individuell dieses „echte“ Leben erreichen kann – und sei es, indem er nur regelmäßig an den kostenpflichtigen Workshops oder Sessions teilnimmt.

Und dann gibt es da ja auch noch Vicco von Bülow, alias Loriot, von dem der Ausspruch überliefert ist: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos!“. Er reiht sich ein in seinen feinen Humor, mit dem er der Nachkriegsgesellschaft in Deutschland mit liebender Ironie immer wieder einen Spiegel vorhielt, immer einen gut verpackten Rat bei der Hand, das Leben mit anderen Augen zu sehen.

Dem Psalmbeter des Psalm 16 geht es in gewisser Weise auch um einen Spiegel in die Gesellschaft seiner Zeit. Allerdings ist dieser Spiegel keiner, der sich ironisch seinen Zeitgenossen gegenüber stellt. Vielmehr spiegelt der Psalm sein Vertrauen und seine Dankbarkeit Gott gegenüber. Beides hat er gleichermaßen für sich und sein gelingendes Leben als maßgeblich erkannt. Sie gehören für ihn zusammen, damit sein Leben und das Leben der Menschen schlechthin gelingen kann.

Und weil das so ist, stellt er sich unter die Weisungen Gottes, die aus seiner Sicht zu einem Leben gehören, das dem Auftrag aus der Schöpfung heraus entspricht. Für ihn ist das ein Leben, das „echtes“ Leben ist, also ein Leben, das „authentisch“, „erfüllt“, „gelingend“, „wahr“, „wirklich“ ist, wenn es sich daran ausrichtet, wie es dem entsprechen kann, was Gott in seiner guten Schöpfung angelegt hat.

Diese Weisungen hat er allen Menschen zu Nutz und Zweck ans Herz gelegt, versehen mit der Aufgabe, sie zu bewahren, damit sie der ganzen Menschheit zu einem Leben in der Fülle der Güter dienen kann. Darin eingewoben ist die Aufgabe, sie gerecht zu teilen und damit die Verantwortung anzunehmen, mit der uns Menschen Gott seine gute Schöpfung und unsere Mitmenschen ans Herz gelegt hat. Damit auch der Frieden, der bei Gott seinen Ursprung hat, bis in jeden Alltag des Lebens segensreich geteilt wird.

Das wäre dann ein anderer Weg als der, der seinen individuellen Gewinn sucht, allein in den Kategorien Sieg oder Niederlage, Selbstverwirklichung auf Kosten anderer, der Vergöttlichung des Mammons, Freude in Fülle und Wonne dem Einzelnen auf Kosten der Vielen beschert.

Der Psalm lädt ein, solch einen Weg aufzugeben, weil er letztlich nicht dem Leben aller hilft. Stattdessen ist Gottes Ruf zum Leben zu folgen und die Verantwortung zu übernehmen, die aus diesem Ruf erwächst. Und das heißt, an der Verwirklichung eines guten Lebens in Gerechtigkeit und Frieden und der Bewahrung der Schöpfung zu arbeiten und denen zu widerstehen, denen die Worte „Güte“ und „Verantwortung für andere“ Fremdworte zu sein scheinen.

Zusammen mit allen Menschen, die sich gleichermaßen rufen lassen, damit auch der zweite Teil des Monatsspruches für alle Menschen gelte: „Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.“

Insofern: Haben Sie heute schon gelebt?

Ich grüße Sie von Herzen

Ihr Pfr. Roland Wieloch