Monatsspruch Januar
Liebe – Freude – Eierkuchen!
Meine Großmutter väterlicherseits war eine kleine, manchmal sehr energische Frau mit ziemlich festen Vorstellungen von richtig und falsch. Als junge Mutter hatte sie im Krieg zusammen mit meinem Vater eine Menge durchmachen müssen. Mein Großvater war als Soldat lange im Krieg, und sie hatte allein die Kohlehandlung im immer mehr zerbombten Neukölln durchgebracht bis in die Nachkriegszeit, als mein Großvater aus russischer Kriegsgefangenschaft endlich – Gott sei Dank – zurückkam. Vielleicht war es diese Erfahrung, die es ihr schwer gemacht hatte, im Alltag liebevoll zartfühlend zu sein. Aber wenn es darum ging, Essen zu machen, hat sie alles reingetan, was damals als gut und wertvoll galt. Und wenn Jahre später wir, die Enkel, zu ihr kamen, gab es Eierkuchen – und was für einen aus heutiger Sicht ernährungsphysiologisch vielleich ein bisschen zu heftig mit all dem Zucker und all der Butter, die da drin war – aber leeeecker!
Paulus hatte ganz sicher nicht Großmütter im Blick, die ihren Enkeln leckeren Eierkuchen backen, aber vielleicht liege ich ja nicht ganz falsch, wenn ich vermute, dass mir Paulus zustimmen würde, wenn ich ihm die kleine Geschichte als eine mögliche Anekdote zu seinem Halbsatz erzählen würde.
Etwas theologischer betrachtet geht es (natürlich) um noch viel mehr – allein schon von der Situation her angeschaut, in die hinein Paulus diesen Satz fast ganz am Ende seines ersten Briefes an die Gemeinde in Korinth adressiert hatte. In dem ging es um die vielen Auseinandersetzungen, die es damals in der noch so jungen Gemeinde dort gab. Denn sie war alles andere als eine homogene Gruppe. Bunt war sie, multikulturell in vielerlei Hinsicht, was für eine Hafenstadt nicht ungewöhnlich war und ist. Menschen, die ursprünglich jüdischen Glaubens waren, hatten sich der jungen Christengemeinde angeschlossen und viele andere auch, die vorher als „Heiden“ den römischen oder griechischen Göttern gehuldigt hatten. Paulus war es wichtig, das Gemeinsame zu benennen und zu vermitteln, das ihnen in all ihrer Unterschiedlichkeit die Stärke und die Tragfähigkeit geben würde, sichtbar und wirksam Gemeinde Jesu Christi in der Welt zu sein. Wie kann das bei aller Unterschiedlichkeit in der Gemeinde gehen?
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!
Wichtig zu schauen, welchen Begriff der liebe Paulus hier benutzt: Nicht „eros“ für die leidenschaftliche, verlangende erotische Liebe, nicht „philia“ für die freundschaftliche, zugewandte Form verwendet er, sondern den Begriff der „agape“ benutzt er. Und diese Form ist eine weitgehende Form der Liebe, die den anderen Menschen annimmt. Die sich zur Aufgabe stellt, jede und jeden als Geschöpf Gottes mit gleicher Würde und gleichem Wert ausgestattet, mit Liebe zu begegnen; weil es doch Gott ist, der auch in ihr oder sein Leben seine Liebe hineingab.
In diesen Zeiten scheint diese Form der Liebe noch anstrengender, noch fordernder zu sein, weil an so vielen Orten der Welt Menschen anderen Menschen so viel Unglück zufügen, so viel Gewalt und Spaltung herrscht und immer mehr davon zu leben scheinen, dass sie anderen Menschen ihr Lebensrecht absprechen, allein weil sie anders sind. Aber Hand auf‘s Herz: Gibt es für die Rettung der Welt und des Alltags wirklich eine Alternative?
Die Jahreslosung ist für mich wie ein Stachel im Fleisch der Gleichgültigkeit oder der Resignation angesichts all dessen, was scheinbar ins Verderben läuft. Und gleichzeitig ein Mut- und Kraftquell für ein kommendes Jahr, sich mutig auf den Weg zu machen, es immer wieder neu in Agape, in Liebe, zu versuchen. Damit das (Zusammen-)Leben vor Ort und in der Welt gelingt – in diesem Sinne: Alles, was ihr tut, geschehe mit Liebe!