Monatsspruch Oktober
Liebe Gemeinde,
wann haben Sie zuletzt in den Spiegel geguckt? Heute Morgen beim Zähneputzen vielleicht, beim Haare bürsten oder als letzten Check bevor Sie aus dem Haus gehen. Und, wissen Sie noch, wie Sie aussehen? Vermutlich ja, oder?
Manchmal ist der Blick in den Spiegel ja eine Überraschung – positiv oder negativ. Steht mir doch ganz gut, der Mantel! Oder aber man hatte sich irgendwie jugendlicher in Erinnerung, weniger graue Haare und ist immer noch etwas überrascht, wer einem da morgens verschlafen entgegenblinzelt. Aber dass man so ganz vergessen hätte, wie man aussieht – das passiert doch eher selten. Dafür haben wir in unserem Leben in zu viele Spiegel geguckt.
Und doch kommt der Schreiber des Jakobusbriefes genau auf dieses Bild, als er seinen Leserinnen und Lesern ein Leitwort ans Herz legt, das auch der Monatsspruch für den Oktober ist:
„Seid Täter des Wortes und nicht Hörer allein, sonst betrügt ihr euch selbst.“
„Wer Gottes Wort hört, aber nicht danach handelt,“ fährt er fort, „ist wie jemand, der sein Gesicht im Spiegel anschaut, weggeht, und gleich vergisst, wie er aussieht.“ Ein etwas absurdes Bild – es bringt mich zum Schmunzeln. Aber der Vergleich bringt mich auch zum Nachdenken. Was prägt denn mein Bild von mir selbst?
Der Blick in den Spiegel, ja. Auch das, was andere mir zurückspiegeln. Was ich denke. Aber tatsächlich auch das, was ich täglich tue.
Wer schon mal versucht hat, etwas neues zu lernen, weiß es: Es braucht viele, viele Male Übung, bis eine Fähigkeit uns so in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass wir sie als Teil von uns selbst begreifen. Bis ich sagen kann: Ja, ich bin eine Klavierspielerin! Ein Schlittschuhläufer! Oder eben: Eine, die Gottes Wort tut. Und nicht nur hört.
Darin steckt die Erfahrung: Was Gott mir mitgibt an klugen und stärkenden Worten für das Leben, das prägt mich nur so richtig, wenn es auch eine Chance hat, durch mich hindurchzugehen und anzukommen in meinem Körper.
Und hindurchgehen, das heißt im dem Fall eben nicht: Zum einen Ohr hinein, zum anderen hinaus. Sondern so durch mich hindurchgehen, dass es sich in Dinge umsetzt, die ich tue. Wohin tragen mich meine Füße? Wem wende ich den Kopf zu? Wie klingt meine Stimme? Wonach strecke ich meine Hände aus, was lassen sie los, was halten sie fest?
Was wir tun – oder nicht – hinterlässt Spuren in uns. Als Muskel-Erinnerungen, als Körpergedächtnis. Und das beeinflusst, was sich selbstverständlich für uns anfühlt, richtig, ein Teil von uns. Und was nicht.
Vielleicht muss ich auch hier erst manchmal Übungszeit investieren. Damit leben, dass sich manches noch ungewohnt anfühlt, holprig, wenn ich etwas Neues versuche.
Aber wenn das gelingt, dann bleibt Gottes Wort eben nicht nur ein frommes Geräusch, das an mir vorbeifliegt, zu dem ich beifällig nicke. Sondern es hat die Kraft, tatsächlich mein Leben zu prägen – und das der Menschen um mich womöglich mit.
Ihre Pfn. Thora Weintz