Monatsspruch Januar

Jesus Christus spricht: Kommt und seht!

Liebe Gemeinde, 
im ersten Monat des neuen Jahrs begrüßt uns der Monatsspruch scheinbar mit einem Appell: „Kommt und seht“, sagt Jesus im Auftakt des Johannes-Evangeliums zu zweien seiner Jünger. Zugegeben, ich hätte meine Schwierigkeiten damit gehabt, der Aufforderung zu gehorchen. Klingt der Ausspruch Jesu nicht wie ein Befehl? Ich mag es eher, eingeladen oder höflich gebeten zu werden. Autorität jeder Art, politisch oder religiös, sehe ich zunächst einmal skeptisch.

Umso überraschter war ich, als ich erkannt habe, dass der Monatsspruch in der griechischen Originalsprache im Johannes-Evangelium gar kein Appell ist. Übersetzt aus dem Griechischen steht dort: „Kommt und ihr werdet sehen!“ Das klingt doch gleich ganz anders. Da schwingt eine Verheißung mit, die den Jüngerinnen und Jüngern zuteil wird, wenn sie in die Nachfolge Jesu eintreten. Und die Jüngerinnen und Jünger, die Jesus so umwirbt, folgen ihm auch nach. Diese Verheißung richtet sich heute auch an uns. Sie ist eine Einladung auf den Weg des Glaubens: „Kommt und ihr werdet sehen!“

Betrachten wir zunächst den schlichten Aufruf „Kommt!“. Die Jünger damals ließen alles stehen und liegen und folgten Jesus nach. Was heißt das für uns? Aus was fordert uns Jesus heute herauszutreten? Dazu möchte ich mit Ihnen nachsinnen. Natürlich muss es nicht gleich darum gehen, den Beruf aufzugeben
oder radikal alles in Frage zu stellen. Vielleicht gibt es eine Sache, die Sie schon länger verhaftet und gefesselt hält.  Erwartungen an sich und das eigene Leben? Ein Ziel, dass unbedingt erreicht werden will, aber letztlich quält? Eine Angst, die lähmt? Ich lade Sie ein, nachzuspüren: Was können Sie ganz persönlich in diesem Monat Januar hinter sich lassen?

Ich finde, das spannende an der Verheißung „Dann werdet ihr sehen“ ist, dass sie für mich relativ offen wirkt. Da steht nicht: Dann werdet ihr Euch gut fühlen. Oder dann werdet ihr reichlich belohnt werden. Nein, vielmehr heißt es: „Dann werdet Ihr sehen“. Was werden wir sehen? Es scheint zumindest mehr zu sein, als wir im Moment sehen können. Vielleicht werden wir uns selbst sehen können, so wie wir wirklich sind, wenn wir befreit sind von den Fesseln eigener Erwartungen und Erwartungen anderer an uns selbst. Oder wir werden sehen, dass es nicht nur um das eigene Glück und Fortkommen im Leben geht, sondern um Solidarität mit unseren Mitmenschen hier und auf der Welt. Was werden Sie wohl sehen, wenn Sie sich aufmachen?

Was hat das mit dem Weg des Glaubens zu tun, werden Sie sich vielleicht fragen. Was wir sehen und erkennen werden, wenn wir herauskommen aus unseren gewohnten Denkweisen und unserer Selbstzentriertheit, liegt nicht in unserer Hand, so glaube ich. Tiefe Einsicht über uns oder flüchtige Erkenntnis Gottes sind ein Geschenk, die uns auch ganz unerwartet auf unserem Glaubensweg zuteil werden können. Allein dafür lohnt es, den Worten Jesu vertrauen zu schenken: Aufzubrechen und neue Wege zu wagen. Um dann an seiner Verheißung teilzuhaben und wahrhaft zu sehen. Was ein jeder von uns dann auch immer sehen wird, wenn wir uns darauf einlassen, stimmt mich - und ich hoffe auch Sie - in gespannte und frohe Erwartung.

Ihr Vikar, Moritz Kulenkampff