Monatsspruch August

Neige, Herr, dein Ohr und höre! Öffne,  Herr, deine Augen und sieh her!

Liebe Gemeinde, 
da sitzt er am Straßenrand. Und wartet. Die Sonne brennt heiß. Die Zeit wird lang. Jesus kommt nicht. Dabei hat er alle Hoffnung auf ihn gesetzt. Er hat ja schon viel von Jesus gehört. Von den Wundern, die er tun kann. Dass er schon viele Menschen gesund gemacht hat. Da hat auch er Hoffnung bekommen. Dass Jesus ihn heilen kann. Schon so lange ist er krank. Kann nicht arbeiten. Muss betteln. Um irgendwie das Nötigste zum Leben zu haben.

Jesus soll hier in die Stadt kommen. Das hat er gehört. Und sich ausgerechnet: hier muss er lang kommen. Hat sich ausgemalt, wie wird das sein, ihm gegenüber zu stehen? Ihm in die Augen zu sehen. Von ihm berührt zu werden. Geheilt zu werden. Und dann gesund zu sein.

Und jetzt wartet er hier. Und nichts passiert. Jesus kommt nicht. Gedanken schießen ihm durch den Kopf: ob Jesus noch kommt? Stimmt es, dass er in die Stadt kommen wird? Vielleicht kommt er gar nicht hier vorbei? Ob er ihn vielleicht verpasst hat? Was er machen würde, wenn Jesus nicht käme? Oder wenn er käme, aber Jesus schnell an ihm vorbei ginge? Dazwischen auch die Frage: ist Jesus denn überhaupt so ein toller Mann? Vielleicht stimmte gar nicht, was von ihm erzählt wurde? Und in ihm immer noch die Sehnsucht – Sehnsucht, dass Jesus auf ihn aufmerksam wird – dass Jesus ihm helfen würde.

Neige, Herr, dein Ohr und höre! Öffne, Herr, deine Augen und sieh her! Der Monatsspruch für August steht in einem ganz anderen Zusammenhang, im Alten Testament, in einem Gebet des Königs Hiskia. Es ist der Ruf um Aufmerksamkeit von Gott. Dass er sieht, was uns bewegt. Dass er hört, um was wir bitten.

Nicht immer haben wir die Gewissheit, dass Gott uns hört. Dass Gott uns sieht. Dass er weiß, wie es uns geht. Manchmal scheint Gott weit weg zu sein anstatt nah bei uns. Neige, Herr, dein Ohr und höre! Öffne, Herr, deine Augen und sieh her! So könnte das Gebet dann lauten.

Oft haben wir klare Vorstellungen, wie etwas sein soll. Wie etwas nicht sein soll. Was wir erreichen wollen. Und setzen alles daran, das zu erreichen. Gott soll uns unterstützen, und bitte so, dass wir spüren, er ist da.

Doch das Leben verläuft nicht immer so, wie wir uns das Leben ausmalen. Der Alltag beugt sich nicht unseren Wünschen. Kann ganz anders verlaufen. So sehr wir uns auch anstrengen. Das Leben hat nicht immer die Sonnenseiten, die wir uns erträumen. Da sind Steine, Schmerzen, Leiden.

Und Gebete sind keine Wunscherfüllungsautomaten. Die wohl schwerste Bitte des Vater Unsers lautet: Dein Wille geschehe.

Indem wir all unsere Aufmerksamkeit auf die Ziele setzen, dafür viel Zeit und Kraft einsetzen, verfehlen wir, was wirklich ist. Es ist schwer, sich nicht an Erwartungen zu binden, wie Dinge sein müssen, damit sie gut, sinnvoll und hilfreich sind. Doch da, wo wir uns frei machen von diesen Erfahrungen, kommen wir an: im Hier und Jetzt. Das sicher nicht perfekt ist. Aber das Überraschendes bereit hält. Und wo ich Gott nicht an meine Erwartungen binde, da entsteht Freiraum: Freiraum für Gotteserfahrungen, vielleicht ganz neu. Vielleicht ganz anders.

Neige, Herr, dein Ohr und höre! Öffne, Herr, deine Augen und sieh her! Gott, hier bin ich – komm zu mir. Lass mich deine Gegenwart spüren. Und weite meinen engen Blick. Dass ich etwas von dir erkenne. Hier und Jetzt. Amen.

Ihre Pfn. Juliane Göwecke