Monatsspruch März

Jesus antwortete: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.

Liebe Gemeinde,
Wenn Sie den Gemeindebrief in Ihren Händen halten, sind es fast noch vier Wochen hin bis zum Palmsonntag. An diesem Tag denken wir an den Einzug Jesu auf einem Esel in Jerusalem. Was im Vorfeld passierte, berichtet uns der Evangelist Lukas im 19. Kapitel so: Die Jünger legten ihre Kleider auf den Boden, begannen Gott zu loben und zu rufen: „Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn!" Einigen der Pharisäer gefiel das überhaupt nicht, und sie forderten Jesus auf, mäßigend auf seine Jünger einzuwirken, worauf Jesus so antwortete, wie es der Monatsspruch wiedergibt: „Ich sage euch: wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.“

Ja, wenn Steine sprechen könnten! Die Mauern unserer Dorfkirche zum Beispiel. Was haben sie alles erlebt! Sie bezeugen den christlichen Glauben unzähliger Generationen unserer Gemeinde. Wieviel Freude, wieviel Leid, wieviel Hoffnung haben Menschen hier in diesen Mauern vor Gott gebracht!

Zwischen 1200 und 1300 erbaut, hieß die Inschrift ihrer ersten Glocke: „Komm, du König der Herrlich-keit, mit deinem Frieden“. Diese Worte haben so ähnlich auch Jesu Jünger gerufen, als Jesus in Jerusalem einzog. Die Glocke ist leider beim großen Brand 1943 abgestürzt und zerschellt. Sie war zwischen 1200 und 1300 gegossen worden.

Ja, was haben diese Mauern erlebt! Sie erlebten die schweren und die guten Zeiten. Pest, Kriege, Hungersnöte. Aber sie stehen noch. Nach dem zweiten Weltkrieg war die Kirche nur noch eine Ruine, bis auf die Grundmauern ausgebrannt. Doch sie wurde wieder aufgebaut. Pfarrer Dittmann sagte beim Richtfest 1948, dass diese Kirche der Ort sein soll, an dem uns der so bitter nötige Trost von Gottes Wort her gesagt wird. Recht hatte er! Ja, Kirche, diese zeitlose Kraft, die unaufhörlich mit ihrer trostvollen Botschaft an den Menschen arbeitet. Solche Orte sind für mich das „wärmende Lagerfeuer“ in einer turbulenten Welt.

Noch immer sind wir derzeit auf die Zeltkirche im Gemeindepark angewiesen. Es ist kalt, wenn es regnet, müssen die Wassertaschen auf dem Dach entleert werden. Plastikstühle, Abstand, Masken. Gemütlich ist es dort nicht. Die Pandemie hat uns noch fest im Griff. Das Virus soll durch Kontaktarmut ausgehungert werden. Noch immer sind uns Gottesdienste im Kirchraum untersagt. Das Singen, das Händereichen, die Nähe, die Besuche. Und jetzt kommt auch noch das Pech hinzu, dass mutierte Virusvarianten um sich greifen. Wir sind erschöpft, die Dunkelheit und Kälte des Winters tun ihr Übriges hinzu. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft ist groß. Wie lange sollen wir das noch aushalten? Niemand kann es sagen.

In der Norditalienischen Stadt Codogno wurde jüngst ein Covid19-Denkmal fertiggestellt. Es wurde am 21. Februar eingeweiht. An diesem Tag im Jahr 2020 wurde der erste Covid-Fall gemeldet.

In Madrid wurde ebenfalls ein Covid-Denkmal eingeweiht, in London ist es in Planung, ebenso in Österreich und Uruguay. Bei uns hat der Bundespräsident die Initiative „Lichtfenster“ ins Leben gerufen. Ein (Kerzen-) Licht der Trauer, der Anteilnahme und des Mitgefühls. „Wir zeigen unser Mitgefühl mit denen, die einsam sterben und denen, die um sie trauern. Wir trauern mit ihnen und wollen zeigen, wir stehen zusammen - gerade in diesen dunklen Zeiten. Dafür steht das Licht, das uns den Weg in hellere Tage weist." Worte des Bundespräsidenten. Eine mitmenschliche, gute Idee, wie ich finde.

Wir öffnen sonntags unsere Dorfkirche zum stillen Gebet, zur Einkehr. Die Orgel spielt, die Kerzen auf dem Altar brennen. Die Namen der Verstorbenen werden abgekündigt. Ein Pfarrer oder eine Pfarrerin ist vor Ort. Sie können eine Kerze für Ihre Liebsten entzünden und auf den Altar stellen.

Auch ich entzünde dort regelmäßig eine Kerze und danke. Wofür? Ich habe mich vor einigen Jahren von meinem Vater verabschieden dürfen. Mein Vater, der alte lutherische Pfarrer, ist friedlich hinübergeschlafen. Ich habe seine Hand halten dürfen.

Heute sterben viele unserer Mütter und Väter einsam und allein – ohne einen Abschied, ohne dass ihnen Angehörige die Hand halten können. Viele Alten- und Pflegeheime sind von der Außenwelt abgeriegelt, viele alte Menschen sind isoliert. Oft denke ich: Wir versündigen uns an einer Generation, die nach dem Krieg mit harter Arbeit dafür gesorgt hat, dass es uns heute gut geht.

Ja, eine Kerze, ein Gebet in dieser Kirche, deren Mauern so viel erlebt haben.
Gebe Gott, dass diese Zeit bald ein Ende finden möge.

Bleiben Sie gesund, bleiben Sie behütet!
Ihr Pfarrer Veit Hoffmann