Monatsspruch September

Ja, Gott war es, der in Christus die Welt versöhnt hat

Liebe Gemeinde,
Durch Kreuzigung und Auferstehung Christi hat Gott die Welt mit sich versöhnt. Dieser zentrale Glaubenssatz ist für die einen Christinnen und Christen das Wesentliche für Ihren Glauben. Andere hingegen reiben sich an dem Gedanken, dass Versöhnung doch Streit voraussetzt, und fragen, in welcher Hinsicht sie heute unversöhnt sind mit Gott.

Was heißt es also für uns, sich mit Gott versöhnen zu lassen? Ich lade Sie dazu zu einer Übung ein, in der es darum geht, innezuhalten und wahrzunehmen. Suchen Sie sich einen Spiegel und schauen Sie hinein. Schauen Sie sich an. Betrachten Sie sich. Sie sehen einen Menschen. Das Leben hat ihn gezeichnet. Kleine und große Narben und Falten erzählen von Geschehnissen im Leben aus vergangenen Zeiten. Ein Lächeln erinnert Sie vielleicht an die Glücksmomente Ihres Daseins. Sie sehen einen Menschen, der Träume gelebt und verworfen hat. Einen Menschen, der enttäuscht wurde und enttäuscht hat. Einen Menschen, der…

Welche Gefühle kommen hoch? Spüre ich Freude über gelebtes Leben? Erlebe ich Trauer wegen Verlust und Enttäuschung? Habe ich Hoffnung für die Zukunft? Empfinde ich Scham wegen eigener Fehler und weil ich andere verletzt habe? Versuchen wir dabei nicht, uns zu betrügen, noch etwas zu projizieren, was wir gerne sehen wollen. Wie ein Mosaik aus vielen Stücken tritt nun das zusammen, was wir sind: Ein Mensch mit seiner je eigenen Geschichte.

Nicht wir sind gefordert, uns mit Gott zu versöhnen. Der Monatsspruch verheißt: Wir sind eingeladen, uns mit Gott versöhnen zu lassen. Gott allein ist der Versöhnende. Wenn wir alles vor ihn bringen und bekennen, sind wir von ihm angenommen, so wie wir sind. Wir brauchen uns nicht zu verstellen. Wir brauchen nichts zu überspielen. All das, was wir beim Blick in den Spiegel gesehen haben, die Höhen und Tiefen unseres Lebens, Glück und Unglück, Freud und Leid, gehören zu uns. Und wir gehören zu Gott. So, wie wir sind. Versöhnt durch Jesus Christus.

Aus der Erfahrung, versöhnt zu sein mit Gott, begründet der Apostel Paulus seinen Versöhnungsdienst für die Welt. Und er beauftragt auch uns, Botschafterinnen und Botschafter Gottes zu werden: „So bitten wir an Christi statt, lasst Euch versöhnen mit Gott.“ (V. 20). Nun soll das nicht heißen, dass wir ausziehen, um Menschen einen Spiegel vorzuhalten. Aus der Erfahrung vielmehr, dass wir angenommen sind von Gott mit allem, was zu uns gehört, können auch wir Annehmen lernen.

Das Symbol des Kreuzes drückt das eindrücklich aus: Der vertikale Balken steht für all das, was wir durch Gott empfangen und erfahren haben. Gnade, Liebe, Hoffnung, Versöhnung. Der horizontale Balken wiederum steht dafür, wie wir Christinnen und Christen all diese Geschenke Gottes nicht etwa für uns behalten, sondern sie weitertragen in die Welt. „Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat (…) So bitten wir an Christi statt, lasst Euch versöhnen mit Gott.“

Ihr Vikar
Moritz Kulenkampff