Monatsspruch Februar

Ihr seid teuer erkauft, werdet nicht der Menschen Knechte

Liebe Gemeinde,
im vergangenen Jahr nahm ich an der Bestattung eines jungen Mannes teil. Er wurde tot in seiner Wohnung gefunden. Sein früher Tod hatte wahrscheinlich eine organische Ursache. Alle kamen: Seine Familie, die Freunde, die Schulkameraden, die Mitglieder des Sportvereins. Was mir auffiel: Sie alle waren irgendwie Hoffnungssucher. Jeder auf seine Weise. Jeder mit seinem Leben und seiner Seele. Bedürftig, offen und bewegt waren sie. Das sind Eigenschaften, die Hoffnungssucher ausmachen.

Die Pfarrerin fand an seinem Sarg hoffnungsvolle und ans Herz gehende Worte. Was immer auch im Vorfeld geschehen war. Weshalb auch immer es zu diesem frühen Tod kommen musste: Sie stellte nicht die Schwere und das Belastende in den Vordergrund, sondern den österlichen Blick. Eigentlich eine Art kindlicher Blick: Ich sehe was, was du nicht siehst . . . und das ist Hoffnung. Ich sah nicht nur die niederschmetternde Tragik, sondern wie Menschen einander stärkten und für den Verstorbenen beteten. Ich sah nicht nur die Not, sondern vor allem die Zuversicht.

Ich mag diesen österlichen Blick, dieses Kinderspiel: Ich sehe was, was du nicht siehst . . . Hoffnung. Ich möchte mich nicht vor all dem beugen, was in unserer Welt oder in unserem Alltag unerträglich erscheint und was Einzelne in Not und Verzweiflung treibt. Ich beuge mich auch nicht vor eingefleischten Schwarzsehern und ihren Endzeitvisionen. Besonders in den sozialen Medien tummeln sie sich. Sie überschwemmen die Nutzer mit Meeren von Krisen und Ozeanen voller Ungerechtigkeiten und buhlen untereinander um Aufmerksamkeit.

Umwelt-Greta rief, wir hätten ihrer Generation die Kindheit gestohlen. Das stimmt nicht! Wir haben dieser Generation vielmehr die beste Kindheit geboten, die es je gab. Dennoch entpflichtet uns das nicht davon, auf unser Umweltverhalten vermehrt zu achten.

In dem sehr schönen Roman von Cecilia Ahern, „Zwischen Himmel und Liebe“ taucht Ivan auf. Er wird zum Freund der Kinder. Für die Erwachsenen ist er unsichtbar. Sie können nicht ergründen, weshalb ihr Kind voller Glücksüberschwang ist. Denn sie können den Spielkameraden nicht sehen; von den Gesprächen, die sie für Selbstgespräche halten, sind sie entsprechend irritiert.

Etwas zu sehen, was andere nicht sehen können oder wollen, gehört zu den größten Hoffnungen und Versuchungen jeden Menschenlebens. Wäre weggeworfenes Vertrauen, aufgegebene Hoffnung sichtbar, wir würden so manches Mal darüber stolpern . . . achtlos weggeworfen, zynisch verweigert, aus tiefster Enttäuschung weggestoßen. Wie oft möchte ich Menschen wieder zu dem Vertrauen hinführen, das für sie bestimmt ist und das sie doch verweigern: Dem Vertrauen zu Gott, der es mit unserem Leben so gut meint, dem Vertrauen zu einem Mitmenschen, das nur durch ein Missverständnis verschüttet ist, das sich wieder und wieder in den Vordergrund schiebt

Zu viele Menschen kommen gekrümmt daher, weil sie ein Schleppnetz voller Sorgen und Nöte mit sich schleppen, ihnen böse Worte, die sie einmal getroffen haben, im Nacken hängen.

Ach, ich würde ihnen gern zurufen: Tritt nicht ein in den Orden der Zyniker und Nihilisten! Du darfst aufrecht gehen, denn das Tau zum Schleppnetz der Sorgen und Nöte ist gekappt. Die Zuwendung zu den Mühseligen und Beladenen ist keine leere Floskel.

Ich würde dann gern von meinem ehemaligen Konfirmanden berichten, der im Rollstuhl saß und begeistert Basketball spielte. Von unserer Aktion „Laib und Seele“, wo viel Menschen preiswert Lebensmittel bekommen. Von der Suppenküche, den Notübernachtungen und vielem mehr. Die Zuwendung zu den Mühseligen und Beladenen ist keine leere Floskel. Sie findet statt – Gott sei Dank. Sie findet statt, weil engagierte Menschen etwas sehen, was andere nicht sehen. Ich sehe was, was du nicht siehst . . . Hoffnung, die teuer erkauft wurde durch Christus. Sie gilt jedem von uns!

Ihr Pfr. Veit Hoffmann