Monatsspruch Mai

Es ist aber Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

Liebe Gemeinde,
„Ich sehe was, was du nicht siehst!“ Kinder spielen dieses Spiel. Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist rot oder gelb oder blau. Es funktioniert natürlich nur, wenn dabei eine Sache geraten werden muss, die tatsächlich zu sehen ist. Wie sieht es aus mit dem, was man nicht sieht?

Über dem Monat Mai steht ein Vers aus dem Brief an die Hebräer: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ (Hebräerbrief 11,1) Der Glaube hat mit Zuversicht und Hoffnung zu tun. Das leuchtet ein. Der Hebräerbrief verlangt zudem „ein Nichtzweifeln“, das ist stark. Wie aber soll man nicht zweifeln an dem, was man nicht sieht? Wird von uns verlangt, dass wir kritiklos Dinge hinnehmen, die wir nicht sehen und überprüfen können?

Die Geschichte von der Himmelfahrt Jesu setzt uns auf die Spur: Jesus wird vor den Augen der Jünger in den Himmel gehoben und von einer Wolke verschluckt. Da stehen die Jünger und starren in den Himmel. Eben war Jesus noch bei ihnen, jetzt sehen sie nichts mehr von ihm. Dann treten plötzlich zwei Personen in weißen Gewändern zu ihnen, es sind wohl Engel, und fragen die ungläubig Hochschauenden: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“ (Apostelgeschichte 1, 11) Die Engel geben ein Versprechen ab: Eben war Jesus noch da, jetzt ist er verschwunden, aber er wird wiederkommen! Als Boten Gottes dürfen sie so etwas sagen. Auf Gottes Verheißung ist Verlass. „Der Glaube ist eine feste Zuversicht dessen, was man hofft.“

Der Glaube, der sich von der Verheißung leiten lässt, blickt in die Zukunft. „Zuversicht“ ist ein anderes Wort für den hoffnungsvollen Blick in die Zukunft. Der christliche Glaube verlässt sich aber nicht allein auf eine Verheißung für die Zukunft. Er ist auch kein Glaube an einen nebulösen Gott von Wolkenkuckucksheim. Der Glaube an Jesus Christus beruft sich auf eine konkrete Vergangenheit. Der Jesus, der in die Wolke hochgezogen wurde, ist derselbe Jesus, der auf der Erde gelebt hat und mit seinen Jüngerinnen und Jüngern umhergezogen ist, geredet hat und zu Tisch saß. Seit der Himmelfahrt ist er zwar nicht sichtbar anwesend, doch das allein ist kein Grund zum Zweifeln. Jesus hat außerdem zugesagt, dass er auch weiterhin bei uns ist in seinem Wort, in unserer Gemeinschaft, im Gedächtnis und – ganz konkret und sichtbar – im Abendmahl in Brot und Wein.

Bei der Himmelfahrt hatten die Engel angekündigt: „Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“ In der Weise, wie man das erwarten könnte, ist es noch nicht geschehen, mit Haut und Haar, Mantel und Schuhen. Aber wenig später, zu Pfingsten, kam der Heilige Geist vom Himmel herunter, in wunderbarer, sichtbar-unsichtbarer Weise: Als hörbares Brausen und spürbarer Wind, als sichtbare aber ungreifbare Feuerflammen. Der Geist erfüllte die Gemeinde und tut es bis heute. Der Geist gibt uns den Mut zum Glauben und das Vertrauen in die Gegenwart des unsichtbaren Gottes.

Ich sehe was, was du nicht siehst! Das kann rot, gelb, blau sein, Sachen, die man mit den Augen sieht. Daneben gibt es noch die andere Sichtweise: die Zuversicht. Der Glaube ermöglicht einen Blick zurück und einen zuversichtlichen Blick nach vorn. Auf den zweiten sieht man mehr!

Ihr Vikar Tilman Reger