Monatsspruch September

Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein und sind Erste, die werden die Letzten sein.

Liebe Gemeinde,
Erster sein. Alle Kraft zusammen nehmen, rennen, was das Zeug hält, die Zähne zusammenbeißen für den Endspurt. Geschafft! Als Erster im Ziel. Als Erster auf dem Podest.

Erster sein. Die ganze Nacht vor der Konzerthalle verbracht. Trotz Regen am Einlass ausgeharrt. Und dann vorne an die Bühne gestürmt. Geschafft. In der ersten Reihe – nah am Star.

Erster sein. Alles dafür tun. Für die Klausuren lernen. Das Abitur muss gut werden. Nur dann klappt es mit dem ersehnten Studienplatz in Medizin. Geschafft. Alle Prüfungen mit Glanzleistung absolviert. Erster geworden. Jetzt das Studium. Und wieder: Erster sein – der Abschluss muss gut werden. Für einen guten Job.

Erster sein – aber das klappt nicht immer. Im Supermarkt steht man sowieso immer in der falschen Reihe. Die anderen kommen schneller vorwärts.

Leistung im Beruf bringen – sie würde es gerne. Aber ihre Mutter ist krank. Oft muss sie ins Krankenhaus. Macht sich Gedanken, spricht mit Ärzten, organisiert die Pflege im Anschluss. Der Tag könnte 48 Stunden haben. Die Kraft erschöpft.

Erster sein – aber nicht alle können in der ersten Reihe stehen.

Jesus sagt: „Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.“

Dieser Satz gehört zum Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Der Weinbergbesitzer stellt Arbeiter für seinen Weinberg ein. Die einen mühen sich seit dem Morgen. Andere werden mittags eingestellt, andere fangen erst eine Stunde vor Arbeitsschluss mit ihrer Arbeit an.

Dann wird der Lohn ausgezahlt. Zuerst sind die dran, die nur eine Stunde gearbeitet haben. Sie bekommen einen Silbergroschen. Das sehen all die, die den ganzen Tag gearbeitet haben. Sie frohlocken. Das wird ein guter Tag. Sicher werden sie für mehr Arbeit auch mehr Lohn bekommen!

Wie groß ist ihre Enttäuschung, als auch sie einen Silbergroschen Lohn bekommen.

Sie wenden sich an den Hausherrn, beklagen sich. Es ist nachvollziehbar, dass sich die Ersten aufregen. Sie haben den ganzen Tag in sengender Hitze gearbeitet. Und dann das. Das ist doch ungerecht.

Der Hausherr macht deutlich: Hier geschieht keine Ungerechtigkeit. Schließlich hat er mit ihnen zu Beginn einen Silbergroschen als Lohn vereinbart. Er ist nicht vertragsbrüchig geworden. Und er sagt: „Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin?“

Mit unseren Augen betrachtet, in unserer Welt erregt dieses Gleichnis Widerspruch. Viele verstehen die Ersten, die sich beklagen.

Jesus kehrt die Regeln um: „Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.“ Er erzählt dieses Gleichnis, um etwas vom Himmelreich deutlich zu machen: es kommt nicht darauf an, wie lange ich arbeite, ich mich einsetze. Es kommt darauf an, dass ich es tue.

Jesus erzählt das Gleichnis nicht, um eine Zukunft in weiter Ferne auszumalen. Er lädt ein, die Blickrichtung zu wechseln, und mit Gottes Augen auf manche Situationen zu schauen. Und dann die Angst zu verlieren, selber nicht genug zu bekommen. Und dass der, der ausreichend hat, sich mit anderen freuen kann. Zufrieden ist mit dem, was er hat. Und selbst wenn andere scheinbar unverdient etwas bekommen, sich mitzufreuen.

Das entlastet. Es kommt nicht darauf an, immer alle Kräfte zusammenzunehmen. Es ist nicht nötig, alles daran zu setzen, Erster zu sein. In Gottes Augen kommt es nicht darauf an, wie lange jemand arbeitet, sich einsetzt. Es kommt darauf an, dass er oder sie es macht.

 Pfn. Juliane Göwecke