Monatsspruch November

Erbarmt euch derer, die zweifeln.

Liebe Gemeinde,

der November ist ein dunkler Monat. Es gibt Tage, an denen es nicht hell wird. Manche Menschen bezeichnen das Novembergrau auch als das Licht der Verlorenen. Der November schlägt mit seinen schweren Gedenktagen auf das Gemüt. Am Totensonntag - nennen wir ihn lieber Ewigkeitssonntag - erinnern wir uns an unsere Verstorbenen, gehen auf die Friedhöfe, decken die Gräber mit Tannengrün zu. Wenn an solchen Tagen einmal der Himmel aufreißt und die Sonne durchbricht, dann hat das Auswirkungen auf unsere Seele. Wir merken in solchen Momenten, wie sehr wir das Licht brauchen. Kein Wunder, dass Gottes erste Worte waren: Es werde Licht! Ohne Licht gibt es kein Leben. Babys beginnen zu weinen, wenn das Licht gelöscht wird. Pflanzen wachsen zum Licht. Ein Mensch, der immer im Dunklen lebt wird gemütskrank. Es gibt ja solche innere Dunkelheit. Viele Menschen leben mit ihr. Kein Licht ist da. Nur schwere Gedanken.

Junge Menschen haben ihre eigenen Vorstellungen vom Leben. Es soll hell, erfolgreich und ohne Stolpersteine sein. Glücklich will die Jugend sein. Das ist ihr gutes Recht. Doch oftmals geht es dann weiter mit Schwierigkeiten in der Schule oder der ersten Enttäuschung in der Liebe. Sicher, das muss nicht so sein. Vieles kann gelingen, wir wünschen es auch. Aber die Tiefpunkte bleiben nicht aus. Besonders nicht im fortgeschrittenem Alter. Wenn sich im Leben Entbehrungen einstellen, vielleicht auch Krankheit oder der Tod eines geliebten Menschen. Das ist nun mal die Realität in dieser unvollkommenen, vergänglichen Welt. In einer Welt, in der wir, wie der Apostel Paulus sagt, wie durch einen tausendfach zertrümmerten Spiegel sehen. Wir müssen lernen damit umzugehen. Auch mit unseren eigenen Schwächen und Macken. Es gibt nun einmal Schatten und Licht, Tag und Nacht, Mai und November. So ein unsichtbares Tauziehen zwischen Hell und Dunkel. Immer sorgenfreie Menschen sind selten wie die blaue Mauritius. Im Grunde sind Menschen, die das Schwere, das Dunkle, die Schattenseiten des Lebens verdrängen wollen, nicht mein Fall. Es lebt sich leicht, wenn man über alles Elend hinwegsieht, solange es einem selbst gut geht. Aber wehe, andere verhalten sich dann so, wenn es ihnen schlecht geht! Wer das Seufzen seines Nächsten nicht hört, ist kein menschlicher Mensch.

Apostel Paulus spricht im Römerbrief (8.22) vom Leid der Schöpfung, die auf Erlösung wartet. Meint er auch die Tiere und die Pflanzen? Bestimmt! Sie gehören zu uns, sie ernähren uns. Wir leben nicht von Kunstprodukten der Industrie. Hinter oder unter der Industrie steht die Schöpfung, die Natur. Sie ist bedroht und manipuliert und unterdrückt. Wenn wir uns das Leiden der Tiere in den engen Transportwagen vorstellen. Die Tierhaltung auf engstem Raum. Die gewaltigen, kilometerlangen Schleppnetze in den Meeren. Wenn wir uns das vor Augen führen, wird uns das Elend bewusst, von dem der Apostel Paulus sagt, dass die ganze Schöpfung auf Erlösung wartet, dass sie eine Erneuerung erhofft.

Wenn wir von der Vergänglichkeit reden, von Sterben und Tod und vom Seufzen der Schöpfung, von Völkern, die trauern oder von den Tränen der Novembergestalt in uns, dann sehen wir im Grunde nur eines: Die Welt liegt in den Wehen und wartet auf die Geburt einer neuen Zeit. Auf das Licht, das diese Dämmerwelt durchbricht. Diese Sehnsucht ist die Zukunftsschau des Glaubens. Er sagt: Am Ende ist alles Schmerzende, Dunkle und Belastende abgetan. Was für eine Hoffnung! Wir sollten nicht daran zweifeln.

Pfr.Veit Hoffmann