Monatsspruch Oktober

Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?

Liebe Gemeinde,

der Oktober kommt uns leicht und golden daher. Am letzten Wochenende im September haben wir ökumenisch verbunden gemeinsam Erntedank gefeiert. Da stand die Freude über alles und der Dank für alles ganz oben, was uns Gott im vergangenen Jahr geschenkt hat. Mit bunt geschmückten Wagen und dann am Sonntag reich gedeckten Altären haben wir einen Hauch von dem, was uns von Gott geschenkt wurde, sichtbar gemacht und ihm zumal unser Lob und unserem Dank gebracht.

Und ganz insgeheim klopfen wir uns auch selbst auf die Schultern, scheint es doch so, wenn wir in vollen Zügen Erntedank feiern können, als hätten wir selbst auch vieles richtig gemacht.

Dieser letzte Gedanke ist es, der auch der Geschichte von Hiob die Grundlage gibt, aus der der Monatsspruch stammt. Auch wenn man die Hiobsgeschichte vielleicht gar nicht so genau kennt, wissen die meisten doch vom Kern der Geschichte zu erzählen. Denn jeder weiß, was eine Hiobsbotschaft ist. Eine Botschaft mit schlechten Nachrichten, die für sich allein geeignet ist, einem den Teppich unter den Beinen wegzureißen. Von Hiob wird berichtet, wie ihn eine Hiobsbotschaft nach der anderen ereilt. Alles wird ihm genommen, was ihm vormals im Leben Gutes widerfahren war; alles Vieh, Rinder, Ziegen Schafe, Haus und Hof, seine Kinder allzumal und in einem zweiten Schritt Stück für Stück auch die Unversehrtheit des Körpers.

Warum? Ja, genau das ist die Frage, die wir sofort und fast schon reflexhaft stellen, wenn etwas Furchtbares geschieht. Und dann gehen wir Menschen auf die Suche nach dem, der Schuld hat und meist finden wir auch einen oder etwas, was die Ursache für schlimmes Unheil sein kann, das Menschen widerfahren ist. Manch einer sucht zuallererst bei sich selbst, und es beginnt ein Akt der Selbstmarterung und der Selbstvorwürfe. Es beginnt eine unsägliche Aneinanderreihung von bösen Konjunktiven: "Wäre ich doch früher / später losgefahren ..." "Hätte ich doch bloß die Vorsorgeuntersuchung mitgemacht..." "Könnte ich doch diese oder jene Entscheidung rückgängig machen..."

Dieser Konjunktiv erlaubt freilich einen Gedanken, der ganz offensichtlich in uns tief verankert ist: Dass Gott etwas direkt damit zu tun haben könnte, dass mir dies oder das widerfahren ist. Gott, der mich anschaut und mich eben für zu leicht befunden hat; zu leicht in meinem Bemühen, alles richtig zu machen, zu leicht und schwach in meinem Vertrauen an ihn. Gedanken und Ideen, die wir aus der Zeit des Alten Testaments bis heute in uns tragen. Dass etwas einfach so geschehen kann - für viele kaum vorstellbar.

Auch im Hiobbuch hat Gott eine ganze Menge damit zu tun, dass Hiob ein Unheil nach dem anderen heimsucht. Denn Gott und Satan treiben ein böses Spiel.

Die Geschichte von Hiob stellt die Gretchenfrage: Glaube ich an Gott, halte ich zu ihm, weil er mir Glück und Segen schenkt; nur solange es mir etwas bringt: Schutz und Bewahrung, Erfolg, Glück und das Versprechen ewigen Seelenheils? Oder glaube ich an Gott "per se" - aus sich selbst heraus, dass er mich auch dann trägt, wenn ich im Leben viel zu (er-)tragen habe. Dafür steht Hiob mit dem Satz des Monatsspruches. Hiob glaubt und ist getragen von dem tiefen Vertrauen in Gott, für das es keinen Grund gibt, außer in Gott selbst, dass Gott ihn auch in all dem Bösen nicht verlassen hat. Hiob sagt "Hier bin ich, Gott ..." anstatt "Wo warst du Gott?" Er sagt das ohne die Erfahrung, die für uns als Christenmenschen grundlegend geworden ist. Ohne das Wissen, dass Gott selbst durch die Erfahrung größtmöglicher Gottesferne, durch den Tod hindurch nicht verloren gehen lässt.

Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? Wer diese Frage mit einem "Ja" beantworten kann, dem kann es gelingen, sich im Glauben an Gott nicht irre machen zu lassen, ganz gleich, was einem widerfährt - zu vertrauen, dass er einfach da ist, der uns die Möglichkeiten des Lebens schenkt, uns aber auch schlechte Lebenserfahrungen machen lässt und uns doch nie gänzlich fallen lassen wird. Solchen Erfahrungen zum Trotz an seinem Glauben fest zu halten, dazu lädt der Satz aus dem Hiobbuch ein.

Solch eine Hoffnung, solch ein Vertrauen, solch einen Glauben tragen auch den Beter des Psalm 73, 23+24, der beten kann: "Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand; du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an."

So wünsche ich Ihnen, alles Gute mit Freuden und aus vollem Herzen zu genießen, aber auch die Kraft und das Vertrauen in den Dreieinigen Gott, das Böse, das ihnen möglicherweise widerfährt, anzunehmen - ohne den Blick für die Kraft und die Nähe Gottes, die er uns schenkt, zu verlieren.

Pfr. Roland Wieloch