Monatsspruch Juli

Euer Ja sei in Ja, euer Nein ein Neun; alles andere stammt vom Bösen.

Liebe Leserin, Lieber Leser,
Bonanza und Toast Hawaii. Das menschliche Alter lässt sich grob in drei Phasen unterteilen. Jugend, mittleres Alter und „Du hast dich aber gut gehalten“. Ich gehöre zur dritten Phase. Wir wurden mit Bonanza, Flipper, Lassie und Nutella groß. Unsere Welt war übersichtlich und im Vergleich zu heute gefühlt harmlos. Der Kabarettist Wolfgang Neuss konnte damals noch einen Skandal auslösen, als er am Vortag der Ausstrahlung den Mörder im Durbridge-Krimi „Das Halstuch“ verriet. Bild nannte ihn Tags drauf einen Vaterlandsverräter. Lou van Burg war mit seiner Sendung „Der goldene Schuss“ ein großer Star. Dazu aßen wir Toast Hawaii. Meine Examensarbeit schrieb ich auf einer Schreibmaschine. Und wenn ich mich vertippte, nahm ich die Seite ‘raus und schrieb sie komplett neu. Meine Großmutter mahnte meinen Vater noch: „Bevor du jemanden einen Freund nennst, überlege, ob du mit ihm in einem Schützengraben liegen möchtest“. Solche Gräben haben wir glücklicherweise nie kennengelernt. Wir kannten auch keine Apple-Watch-Träger, keine Mehrfachpraktikanten, keine Helikoptermütter, keine Supernetzwerker, keine Fitness-Freaks und keine Leute, die sich von ihrem Handy Kalorienverbrauch und Schritttempo kontrollieren ließen. Dieser ganze menschliche Hürdenlauf von heute war uns damals fremd. Unsere Eltern machten sich keine Gedanken darüber, ob wir einen bilingualen oder lieber einen vegetarischen Kindergarten besuchen sollten. Wir gingen einfach nur in den nächsten Kindergarten. Nein, das kannten wir alles nicht.

Meine Frau mag es nicht, wenn ich verklärt über die Vergangenheit rede. Sie sagt dann, ich könne ja zu den Amish-People gehen. Die fahren noch in Pferdekutschen durch die Gegend und lehnen technischen Fortschritt ab. Ob ich das etwa wolle?

Natürlich nicht! Ich schätze den Fortschritt. Das Internet hilft mir bei der schnellen Suche. Mail, Facebook und SMS erleichtern den Arbeitsalltag und die Kommunikation. Auch unsere Tageszeitung kommt digital. Dem letzten Lagerfeuer der Familien, der Wetten dass . . . ? - Sendung, trauere ich auch nicht nach. Mich interessierte nie, ob es gelingt mit einem Bagger fünf Gurkengläser zu öffnen.

Ich vermisse manchmal nur die Ruhe. Das Land jenseits der Streaming-Dienste. Es existiert nicht mehr! Der Leerlauf im Kopf. Das ruhige Reifen der Gedanken.

Das ganze Jahr über spüre ich meine Abhängigkeit vom Internet. Deshalb habe ich für mich beschlossen: Stecker raus während der Sommerferien. Urlaubsgrüße werde ich dieses Jahr per Hand schreiben und in den Briefkasten werfen. Wie früher, als wir noch Bonanza schauten und Toast Hawaii aßen.

In der Bibel heißt es: „Weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit.“ Und ich möchte hinzufügen: Auch die Internetpause hat ihre Zeit. Der Sommer scheint mir dafür die richtige Zeit zu sein. Allen, die sich auf den Weg in den Urlaub machen, wünsche ich einen guten Ferienbeginn!

Ihr Pfarrer Veit Hoffmann