Kleine Geschichte der Kirchensteuer

Mittelalter, 9. Jahrhundert

Der Ursprung der Kirchensteuer liegt im Mittelalter. Sie hieß damals noch nicht Steuer, sondern "Zehnt". Jeder Grundbesitzer musste nämlich den zehnten Teil seines Ertrages an Vieh, Getreide, Feldfrüchten und anderen Dingen wie Butter oder Wein an seinen kirchlichen Landesherrn abgeben. Spätestens seit der Zeit Karls des Großen (9. Jahrhundert) galt diese Pflicht für alle weltlichen und geistlichen Grundbesitzer, also beispielsweise auch für die Klöster. Der "Zehnt" war ein wichtiger Teil der Einnahmen der Kirche zur Finanzierung ihrer Aufgaben. Die Verwendung des "Zehnten" war sehr genau vorgeschrieben. Einen Teil erhielten die Geistlichen, ein anderer Teil musste für die Unterstützung der Armen verwendet werden. Ab dem 13. Jahrhundert konnte die "Zehntpflicht" auch durch Geld beglichen werden.

Französische Revolution, 1789

Ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der Kirchensteuer war die Französische Revolution von 1789. In diesem Jahr beschloss die Französische Nationalversammlung, den kirchlichen Zehnten in Frankreich abzuschaffen. Zugleich wurde das gesamte Kirchengut zu Staatseigentum erklärt. Diese Beschlüsse hatten Folgen, denn bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auch in allen anderen europäischen Staaten die "Zehntpflicht" abgeschafft. Der Kirche fehlte damit eine jahrhundertealte Einnahmequelle.

Weimarer Zeit, 1919

Nach dem ersten Weltkrieg wurde das Kirchensteuerrecht in Deutschland grundlegend vereinheitlicht. In der Weimarer Reichsverfassung von 1919 bekam die Kirchensteuer ihre rechtliche Grundlage. Zunächst bekräftigte die neue Verfassung die Trennung von Kirche und Staat. Der Staat hatte kein Recht mehr, der Kirche in ihre inneren Angelegenheiten hineinzureden. Die Religionsgemeinschaften wurden anerkannt als "Körperschaften des öffentlichen Rechts". Sie waren damit berechtigt, Abgaben von ihren Mitgliedern in Form von Steuern zu erheben. Die Länder wurden verpflichtet, den Kirchen bei der Einziehung "Amtshilfe" zu leisten, und mussten deshalb Gesetze erlassen, um dafür die rechtlichen Grundlagen zu schaffen.

NS-Zeit, 1933

Eine schlimme Zeit für die Kirchen bedeutete der Nationalsozialismus von 1933 bis 1945. Die diktatorischen Machthaber versuchten, mit einer Fülle von Gesetzen, Erlassen, Verordnungen und öffentlichen Verleumdungen das kirchliche Leben einzuengen und unter ihre Kontrolle zu bringen. So wurden die meisten kirchlichen Organisationen und Verbände aufgehoben, christliche Vereine wurden verboten. Die finanziellen Mittel der Kirchen wurden beschränkt, um ihnen die wirtschaftliche Grundlage ihrer Arbeit zu entziehen. 1939 wurden die Länder von ihrer Pflicht entbunden, den Kirchen bei der Erhebung der Kirchensteuer zu helfen. Deshalb mussten die Kirchen in den folgenden Jahren eigene "Kirchensteuerämter" einrichten und selbst für die Erhebung der Kirchensteuer sorgen.

Ende des 2. Weltkrieges, 1945

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurden der Kirche die alten Rechte der Weimarer Republik wieder zugebilligt. Die Artikel 136 bis 139 und der Artikel 141 der Weimarer Reichsverfassung wurden 1949 unverändert in den Artikel 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland übernommen. Ebenso wie in der Weimarer Verfassung wurden die Bundesländer verpflichtet, den Kirchen bei der Steuererhebung Amtshilfe zu leisten.

Wiedervereinigung, 1990

1990 entschieden sich die Kirchen der ehemaligen DDR, die im Grundgesetz festgelegte Möglichkeit zur Kirchensteuererhebung zu übernehmen. Daraufhin wurde das Kirchensteuergesetz in den Einigungsvertrag vom 31. August 1990 aufgenommen. Seitdem gilt in ganz Deutschland ein einheitliches Kirchensteuerrecht.